Kein Widerruf von Aufhebungsverträgen / Gebot fairen Verhandelns BAG, Urteil vom 07.02.2019 (Az.: 6 AZR 75/18)

Ausgabe 37 | März 2019
Die als Reinigungskraft beschäftigte Klägerin schloss mit dem Lebensgefährten der beklagten Arbeitgeberin in ihrer Wohnung einen Aufhebungsvertrag, der die sofortige Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ohne Zahlung einer Abfindung vorsieht. Anlass und Ablauf der Vertragsverhandlungen blieben umstritten. Die Klägerin, die nach ihrer Darstellung am Tag des Vertragsschlusses erkrankt war, hat den Aufhebungsvertrag wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten und hilfsweise widerrufen. Gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Aufhebungsvertrag wandte sie sich mit ihrer Klage. Das LAG hat die Klage abgewiesen. Das BAG hat das Urteil aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Nach Ansicht des BAG lag vorliegend weder ein Anfechtungsgrund vor, noch war der Widerruf des Aufhebungsvertrages auf gesetzlicher Grundlage möglich. Zwar hat der Gesetzgeber Verbrauchern in § 312 Abs. 1 i.V.m. § 312g BGB bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind, ein Widerrufsrecht eingeräumt. Allerdings ist im Gesetzgebungsverfahren deutlich geworden, dass arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB einzubeziehen sind. Nicht beachtet hatte das LAG, ob vor Abschluss des Aufhebungsvertrages das Gebot des fairen Ver- handelns beachtet worden ist. Diese arbeitsvertragliche Nebenpflicht wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss des Aufhebungsvertrages erheblich erschwert. Dies könnte hier der Fall gewesen sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt worden wäre. In diesem Fall hätte die Beklagte Schadenersatz zu leisten, d.h. den Zustand herzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde. Die Klägerin wäre so zu stellen, als hätte sie den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen, so dass das Arbeitsverhältnis fortbestünde.