Anforderungen an bEM-Verfahren und Zugangsnachweis beim Einwurfeinschreiben
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.07.2021
(Az.: 4 Sa 68/20)

Ausgabe 47 | Dezember 2021
Im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreits um eine krankheitsbedingte Kündigung stritten die Parteien u.a. um die ordnungsgemäße Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM). Die Arbeitgeberin behauptete, die Klägerin zu einem bEM-Verfahren eingeladen und das entsprechende Einladungsschreiben nebst Anlagen, insbesondere eine Datenschutzerklärung, per Einwurfeinschreiben versendet zu haben, was die Klägerin bestritt. Zum Beweis des Zugangs verwies die Arbeitgeberin auf den Sendungsstatus der Deutschen Post AG. Einen Auslieferungsbeleg konnte die Arbeitgeberin nicht vorlegen.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das LAG gaben der Kündigungsschutzklage statt.

Nach dem Urteil des LAG konnte die Arbeitgeberin die ordnungsgemäße Einleitung des bEM-Verfahrens nicht darlegen und beweisen. Der Beweis des Zugangs von Einwurfeinschreiben könne nur dadurch geführt werden, dass der Einlieferungsbeleg zusammen mit einer Reproduktion des Auslieferungsbelegs vorgelegt werde. Nur in diesem Falle spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten bzw. das Postfach zugegangen ist. Die Aussagekraft des Sendungsstatus reiche dagegen nicht aus, um auf ihn den Anscheinsbeweis des Zugangs zu gründen.

Ergänzend führte das Gericht aus, dass selbst bei Zugang des Einladungsschreibens das bEM-Verfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden sei. Denn aus § 167 Abs. 2 S. 3 SGB IX folge nicht nur, dass der Arbeitnehmer auf Art und Umfang der im bEM-Verfahren erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen sei, sondern auch, dass die Datenvereinbarung selbst datenschutzkonform zu erfolgen habe. Die Erreichung der Ziele eines bEMVerfahrens erfordere nicht, dass nicht am bEM-Verfahren beteiligten Vertretern des Arbeitgebers Diagnosedaten bekanntzumachen wären, welche der Arbeitnehmer im bEM-Verfahren mitteilt. Würde der Arbeitnehmer im Zuge des Verfahrens darum gebeten, in die Weitergabe von Daten einzuwilligen, dann müsse dem Arbeitnehmer im besonderen Maße deutlich gemacht werden, dass diese Einwilligung freiwillig ist, soweit sie für die Zwecke der Durchführung des bEM nicht zwingend erforderlich ist.

Da die Beklagte in ihrer Datenvereinbarung die Einwilligung in die Weitergabe von Daten an „Vorgesetzte“ und an die „Standortleitung“ von der Klägerin verlangte, ohne explizit auf die Freiwilligkeit dieser Einwilligung zu verweisen, seien datenschutzrechtliche Standards verletzt worden.