Anspruch auf Sonderzahlung trotz Freiwilligkeitsvorbehalt BAG, Urteil vom 14.09.2011 (Az.: 10 AZR 526/10)

Ausgabe 09 | März 2012
Bereits in seiner Entscheidung vom 08.12.2010 (DER ARBEITSRECHTSREPORT Ausgabe 4/2010) hatte sich das BAG mit der Wirksamkeit von arbeitsvertraglichen Klauseln auseinanderzusetzen, die eine Verknüpfung von Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt vorsehen. Hierzu hatte das BAG entschieden, dass derartige als Allgemeine Geschäftsbedingung formulierte Klauseln nach § 307 BGB unwirksam sind, da für den Arbeitnehmer durch die Verknüpfung von Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt nicht hinreichend deutlich wird, dass trotz mehrfacher, ohne weitere Vorbehalte erfolgender Sonderzahlungen ein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers für die Zukunft ausgeschlossen bleiben soll. Mit seiner aktuellen Entscheidung hat das BAG die Anforderungen an einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt weiter erhöht. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Arbeitnehmer erhielt mehr als 20 Jahre lang jeweils mit dem Entgelt für den Monat November ein 13. Monatsgehalt, ohne dass im Zusammenhang mit den einzelnen Zahlungen ein ausdrücklicher Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt worden war. Die Arbeitgeberin verweigerte so dann eine Zahlung fürdas Jahr 2008 unter Hinweis auf eine Klausel im schriftlichen Arbeitsvertrag. Diese Klausel lautete: „Sonstige, in diesem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer sind freiwillig und jederzeit widerruflich. Auch wenn der Arbeitgeber sie mehrmals und regelmäßig erbringen sollte, erwirbt der Arbeitnehmer dadurch keinen Rechtsanspruch für die Zukunft.“ Mit seiner Klage begehrte der Arbeitnehmer die Zahlung eines 13. Monatsgehalts für das Jahr 2008 und berief sich hierbei auf einen Anspruch aus betrieblicher Übung. In seiner Entscheidung bekräftigt das BAG zunächst seine Rechtsprechung, nach der die Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt zur Unwirksamkeit der Klausel führt, da für den Arbeitnehmernicht erkennbar sei, ob jegliche Bindung für die Zukunft ausgeschlossen oder lediglich das Recht geschaffen werden soll, sich später einseitig von einer begründeten Bindung loszusagen. Darüber hinaus gelangt das BAG hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehalts zu dem Ergebnis, dass dieser den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne von § 307 BGB benachteilige (und deshalb unwirksam ist), da er alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt beziehe unzulässigerweise auch laufende Leistungen ein und verstoße daher gegen den Allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass vertragliche Regelungen einzuhalten sind. Das BAG gelangt daher zu dem Ergebnis, dass der im Arbeitsvertrag enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt zum einen aufgrund der Kombination mit einem Widerrufsvorbehalt nicht transparent, zumanderen aufgrund der Einbeziehung aller zukünftiger Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund, auch unangemessen und mithin unwirksam sei, weshalb er dem Entstehen einer betrieblichen Übung zu Gunsten des Arbeitnehmers und damit auch des Anspruchs nicht entgegenstehe. Mit dieser Entscheidung hat das BAG zudem grundsätzliche Bedenken geäußert, dass ein genereller Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag dauerhaft den Erklärungswert von ohne jeden Vorbehalt und ohne den Hinweis auf die vertragliche Regelung erfolgenden Zahlungen so erschüttern kann, dass der Arbeitnehmer das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung verstehen dürfe. Als Konsequenz aus dieser Entscheidung sollte neben dem Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertragnach Möglichkeit bei jeder Leistung, für die sich nicht aus einer bestehenden individual- oder kollektivvertraglichen Regelung ein Rechtsanspruch ergibt, ein Hinweis auf die Freiwilligkeit der Leistung erfolgen. Bei der Formulierung eines entsprechenden Hinweises sind wir Ihnen gerne behilflich.