Arbeits- und freies Dienstverhältnis nebeneinander BAG, Urteil vom 27.06.2017 (Az.: 9 AZR 851/16)

Ausgabe 32 | Dezember 2017
Die Klägerin ist auf Grundlage eines „Dienstvertrags“ seit 1985 als Lehrerin an einer Musikschule tätig. Im Juni 1986 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, der eine Beschäftigung als Musikschullehrerin mit 50 % der Vollzeitarbeitszeit vorsieht. Daneben erteilte die Klägerin in zeitlich unterschiedlichem Umfang weiterhin Musikunterricht aufgrund des „Dienstvertrags“. Der „Dienstvertrag“ wurde 2013 von den Parteien durch einen „Honorarvertrag“ ersetzt, in dem es u.a. heißt, dass die Klägerin als „freie Mitarbeiterin“ beschäftigt ist, Einzelaufträge „persönlich“ wahrnimmt, den Unterricht frei gestalten kann und nicht an Weisungen der Musikschule gebunden ist sowie den Unterrichtsort mit den Musikschülern frei vereinbaren darf. Die Klägerin beantragte festzustellen, dass sie in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Musikschullehrerin mit 21,63/30 einer Vollzeitstelle stehe. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Das BAG stellte fest, dass zwischen den Parteien kein einheitliches Arbeitsverhältnis besteht, sondern sowohl ein Arbeitsverhältnis als auch ein freies Mitarbeiterverhältnis. Die über den Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1986 hinausgehende Tätigkeit nach dem Honorarvertrag aus dem Jahre 2013 qualifizierte das BAG als freie Mitarbeit. Entscheidend für die Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers ist danach der Grad der persönlichen Abhängigkeit. Nach den vom BAG herangezogenen Kriterien für die Abgrenzung von Arbeitsvertrag und freiem Dienstvertrag ist maßgeblich, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichts-betrieb eingebunden ist, in welchem Umfang sie Unterrichtsinhalt, Art und Weise der Unterrichtserteilung, Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten und inwieweit sie zu Nebenarbeiten herangezogen werden kann. Nach diesen Grundsätzen sah das BAG durch den Honorarvertrag ein Dienstverhältnis als begründet an. Unerheblich war in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin neben dem Dienstverhältnis auch in einem Arbeitsverhältnis stand. Ebenso wie ein Arbeitnehmer mehrere Arbeitsverhältnisse (auch zu ein und demselben Arbeitgeber) eingehen kann, ist es rechtlich nicht ausgeschlossen, wenn er zur selben Person sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch in einem freien Dienstverhältnis steht. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das dem Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrags zustehende Weisungsrecht nicht für die Tätigkeiten gilt, die der Vertragspartner aufgrund des freien Dienstverhältnisses schuldet.