Frage nach Bestehen einer Schwerbehinderung BAG, Urteil vom 16.02.2012 (Az.: 6 AZR 553/10)

Ausgabe 09 | März 2012
Bereits mit Urteil vom 07.07.2011 (DER ARBEITSRECHTSREPORT Ausgabe 3/2011) hatte sich das BAG mit den rechtlichen Folgen der falschen Beantwortung der Frage nach einer Schwerbehinderung auseinandergesetzt. Hierbei bestätigte das BAG seine Rechtsprechung, nach der die falsche Beantwortung zulässiger Fragen bei der Einstellung den Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages berechtigen kann. Ob auch die unrichtige Beantwortung der Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung zur Anfechtung berechtigen kann, ließ das BAG allerdings leider unbeantwortet. Mit seiner aktuellen Entscheidung hat das BAG hinsichtlich der Folgen einer falschen Beantwortung der Frage nach einer Schwerbehinderung nun allerdings klargestellt, dass im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach Ablauf von sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen, die Frage des Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderung zulässig ist und deren falsche Beantwortung zum Verlust des Sonderkündigungsschutzes führen kann.Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der schwerbehinderte Kläger wurde aufgrund eines bevorstehenden Personalabbaus aufgefordert, u.a. Angaben zum Vorliegen einer Schwerbehinderung bzw. einer Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten zu machen. Der Arbeitnehmer verneinte seine Schwerbehinderung. Sodann kam es zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Mit einer hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage machte der Arbeitnehmer geltend, die Kündigung sei unwirksam, weil das Integrationsamt dieser nicht zugestimmt habe. In seiner Entscheidung führt das BAG aus, dass die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung aufgrund der Anforderungen des § 1 Abs. 3 KSchG, der die Berücksichtigung der Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl verlangt, sowie aufgrund des Sonderkündigungsschutzes nach § 85 SGB IV, wonach eine Kündigung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf, jedenfalls nach dem Eingreifen dieser Anforderungen und Voraussetzungen, mithin nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses, zulässig sei. Die Frage nach einer Schwerbehinderung im Vorfeld einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung solle dem Arbeitgeber ermöglichen, sich rechtstreu zu verhalten. Die Frage diskriminiere den behinderten Arbeitnehmer daher nicht gegenüber anderen Arbeitnehmern ohne Behinderung. Auch datenschutzrechtliche Belange stünden der Zulässigkeit der Frage nicht entgegen. Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass es dem Arbeitnehmer infolge einer wahrheitswidrigen Beantwortung der Frage nach seiner Schwerbehinderung unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt ist, sich im folgenden Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen.