Lohnnachzahlung für „Schnupperpraktikum“ ArbG Bochum, Urteil vom 25.03.2014 (Az.: 2 Ca 1482/13)

Ausgabe 18 | Juni 2014
Die Klägerin war bei einem Lebensmittelgeschäft unentgeltlich als Praktikantin beschäftigt. Während der von den Parteien als „Schnupperpraktikum“ bezeichneten Zeit verrichtete die Klägerin Arbeiten einer Verkäuferin, räumte Waren ein und aus, kassierte und putzte. Nach vier Monaten erhielt die Klägerin den erhofften Vertrag über ein Ausbildungsverhältnis, welches jedoch erst ein halbes Jahr später beginnen sollte. Nach acht Monaten verlangte sie Bezahlung der von ihr im Rahmen des Praktikums geleisteten 1.728 Arbeitsstunden, was abgelehnt wurde. Das Arbeitsgericht Bochum entschied, dass die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung ihrer Dienstleistung hatte, da diese nach den Umständen nur gegen Lohn zu erwarten war (§ 612 Abs. 1 BGB). Die Klägerin habe in erheblichem Umfang wirtschaftlich verwertbare Leistungen erbracht, für die die Beklagte ansonsten eine bezahlte Arbeitskraft hätte beschäftigen müssen. Die Klägerin sei darüber hinaus in den Betrieb eingegliedert und gegenüber der Beklagten weisungsgebunden gewesen. Demnach habe zwischen den Parteien kein unentgeltliches Praktikumsverhältnis bestanden, sondern ein vergütungspflichtiges Arbeitsverhältnis. Die Bezeichnung als „Praktikum“ sei dabei unerheblich. Die Abrede der Unentgeltlichkeit erfülle darüber hinaus den Tatbestand des Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) und sei daher sittenwidrig und rechtsunwirksam. Das Arbeitsgericht sprach der „Praktikantin“ einen Stundenlohn in Höhe von € 10,00 als übliche Vergütung zu. Dieser (krasse) Fall verdeutlicht die möglichen Probleme im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Praktikanten. Ein unentgeltliches Praktikum dient dazu, Einblick in einen Betrieb zu erhalten und sich praktische Kenntnisse anzueignen. Dabei muss der Ausbildungszweck im Vordergrund stehen. Sobald der Praktikant in erheblichem Umfang wirtschaftlich verwertbare Leistungen erbringt und damit die Leistungen einer bezahlten Arbeitskraft ersetzt, besteht ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung.