Nachschieben von Kündigungsgründen bei einer Verdachtskündigung BAG, Urteil vom 23.05.2013 (2 AZR 102/12)
Ausgabe 16 | Dezember 2013
Wegen des Verdachts, ihr Arbeitnehmer sei an betrügerischen Auftragsvergaben zu ihren Lasten beteiligt gewesen, hatte eine Arbeitgeberin den Arbeitnehmer angehört und nachfolgend eine außerordentliche Verdachtskündigung ausgesprochen. Nachdem sich später der Verdacht einer weiteren Pflichtverletzung ergab, führte die Arbeitgeberin ohne erneute Anhörung des Arbeitnehmers diese Umstände in das bezüglich der Kündigung bereits laufende Berufungsverfahren ein.
Nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG NZA 2013, 137) kann bereits der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bilden. Eine solche Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.
Mit der vorliegenden Entscheidung hat das BAG seine Rechtsprechung zum Erfordernis der Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung weiterentwickelt und zunächst noch einmal darauf hingewiesen, dass in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung sind. Es sind vielmehr auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken, sofern sie bei Kündigungszugang bereits vorlagen.
Sowohl bei lediglich verdachtserhärtenden neuen Tatsachen als auch bei Tatsachen, die den Verdacht einer weiteren Pflichtverletzung begründen, bedarf es keiner erneuten Anhörung des Arbeitnehmers. Das BAG sieht es insoweit als ausreichend an, dass sich der Arbeitnehmer gegen den verstärkten bzw. neuen Verdacht ohne Weiteres im anhängigen Kündigungsschutzverfahren verteidigen kann.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt, auf den das BAG hinweist, ist, dass neu bekannt gewordene, bei Kündigungsausspruch aber bereits gegebene Kündigungsgründe auch noch nach Ablauf der Zweiwochenfrist in den Prozess eingeführt werden können. Denn die Frist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB gilt nach ihrem Wortlaut allein für die Ausübung des Kündigungsrechts. Ist die Kündigung als solche rechtzeitig erklärt worden, dürfen nachträglich bekannt gewordene Gründe auch später als zwei Wochen nach ihrem Bekanntwerden in den Rechtsstreit eingeführt werden.