Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf Mindestlohn anrechenbar BAG, Urteil vom 10.05.2016 (Az.: 9 AZR 145/15)

Ausgabe 26 | Juni 2016
Durch eine Betriebsvereinbarung waren die Auszahlungsmodalitäten des arbeitsvertraglich vereinbarten, jährlich im Mai zu zahlenden Urlaubs- und des im November zu zahlenden Weihnachtsgeldes dahingehend geändert worden, dass diese nunmehr monatlich zu je einem Zwölftel gezahlt werden. Erst unter Berücksichtigung dieser anteiligen Sonderzahlungen ergab sich ein Stundenlohn von mehr als € 8,50. Die arbeitsvertraglich vereinbarten Überstunden-, Sonn- und Feiertags- sowie Nachtarbeitszuschläge berechnete die Arbeitgeberin auf Basis des vereinbarten Stundenlohns von weniger als € 8,50. Mit ihrer Klage machte die Arbeitnehmerin geltend, ihr stünden die Sonderzahlungen zusätzlich zu dem Mindestlohn von € 8,50 zu und die Zuschläge seien auf der Grundlage des Mindestlohnes und nicht auf Basis des niedrigeren vereinbarten Stundenlohnes zu berechnen. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das LAG sprach der Arbeitnehmerin lediglich erhöhte Nachtarbeits- zuschläge zu und wies die Berufung im Übrigen zurück. Die Revision der Arbeitnehmerin blieb erfolglos. Das BAG bestätigte nun die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg, über welche wir bereits in unserem ARBEITSRECHTSREPORT 1/2016 berichtet hatten. Aus dem Mindestlohngesetz ergebe sich weder ein Anspruch auf ein erhöhtes Monatsgehalt und erhöhte Jahressonderzahlungen, noch auf erhöhte Lohnzuschläge. Der gesetzliche Mindestlohn trete als eigenständiger Anspruch neben die bisherigen Anspruchsgrundlagen, verändere diese jedoch nicht. Der nach den tatsächlichen Arbeitsstunden bemessene Mindestlohnanspruch der Arbeitnehmerin sei vorliegend erfüllt worden. Da die in jedem Kalendermonat zu einem Zwölftel geleisteten Jahressonderzahlungen vorbehaltslos und unwiderruflich geleistet wurden, komme diesen in Bezug auf den Mindestlohn Erfüllungswirkung zu. Nicht anrechenbar seien hingegen solche Entgeltbestandteile, die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen, wie z.B. die Nachtzuschläge gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG, oder die ausschließlich anderen Zwecken als der Abgeltung der Arbeitsleistung dienen. Verfolgt das Urlaubsgeld beispielsweise den Zweck, erhöhte Urlaubsaufwendungen abzudecken und dient das Weihnachtsgeld dazu, erbrachte oder künftige Betriebstreue zu belohnen, scheidet eine Anrechnung daher aus. Im vorliegenden Fall waren jedoch Urlaubs- und Weihnachtsgeld allein an den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Vergütungspflicht des Arbeitgebers geknüpft, wofür bereits sprach, dass für den Fall des unterjährigen Ein- bzw. Austritts eine anteilige – pro rata temporis – Zahlung vorgesehen war. Für die Frage der Anrechenbarkeit von Sonderzahlungen auf den Mindestlohn kommt es daher maßgeblich auf ihre konkrete Formulierung und Ausgestaltung in den Arbeitsverträgen an.