Verfall von Urlaubsansprüchen langzeiterkrankter Arbeitnehmer EuGH, Urteil vom 22.11.2011 (Az.: C-214/10)
Ausgabe 09 | März 2012
Nach der wegweisenden so genannten Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH vom 20.01.2009 musste arbeitgeberseits berücksichtigt werden, dass Urlaub von Arbeitnehmern, die langanhaltend arbeitsunfähigerkrankt sind, auch mit Ablauf des Übertragungszeitraums am 31.03., der auf das für den Urlaubsanspruch maßgebliche Kalenderjahr folgt, nicht verfällt. Hierdurch können sich also erhebliche Urlaubsansprüche „aufbauen“, die bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegebenenfalls abgegolten werden müssen.
Der EuGH hat mit Urteil vom 22.11.2011 – C-214/10 – dem Urlaubsrecht nun eine relevante neueWeichenstellung gegeben. Denn mit dieser Entscheidung hat der EuGH darauf erkannt, dass Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Arbeitnehmer unter Umständen doch verfallen können, und zwar 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese entstanden sind.
Der neueren Entscheidung des EuGH lag allerdings eine besondere Fallkonstellation zugrunde, nämlichein einschlägiger Tarifvertrag, der eine zwölfmonatige Verfallfrist nach Ablauf des dreimonatigen gesetzlichen Übertragungszeitraums vorsah. Der gesamte Zeitraum bis zum Verfall des Urlaubsanspruchswar damit also wesentlich länger als der nur dreimonatige Übertragungszeitraum des§ 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG, den der EuGH zuvor in Bezug auf wegen Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruchgenommen Urlaub als europarechtswidrig angesehen hatte.
Für die betriebliche Praxis ist aus dieser neueren Entscheidung des EuGH so viel zu entnehmen,dass das Unionsrecht den Verfall von Urlaubsansprüchen langzeiterkrankter Arbeitnehmer jedenfalls 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, erlaubt. Dieser Verfall bezieht sich auch auf den gesetzlichen Mindesturlaub. Allerdings ist aus unserer Sicht aus dieser Entscheidung kein automatischer Verfall des Urlaubsanspruchs herzuleiten. Ein solcher würde vielmehr eine ausdrückliche entsprechende Vereinbarung voraussetzen.
Ob der Gesetzgeber die hiernach eröffnete Möglichkeit zu einer europarechtskonformen Neugestaltung des Urlaubsrechts ergreift, bleibt abzuwarten. Jedenfalls dürfte durch die neuere Rechtsprechung desEuGH die angesprochende Möglichkeit einer vertraglichen Gestaltung eröffnet sein. Wir empfehlen daher, eine hierauf bezogene Ergänzung der arbeitsvertraglichen Urlaubsregelung in Neuverträge aufzunehmen.Sofern wir Ihnen bei der Formulierung einer entsprechenden Klausel behilflich sein können, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.