Verstoß gegen Mitbestimmungsrecht bei Gefährdungsbeurteilung
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12.01.2021
(Az.:1 TaBVGa 4/20)

Ausgabe 45 | Juni 2021
Im Zuge der Planungen für ein neues Paketverteilzentrum eines Unternehmens, das Briefe und Pakete zustellt, forderte der Betriebsrat mit ihm über die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung in Verhandlungen zu treten. Zeitgleich bestand eine Einigungsstelle, in der beide Seiten versuchten, ein Einvernehmen zum generellen Umgang mit Gefährdungsbeurteilungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bzw. § 5 ArbSchG zu finden. Als das Unternehmen dann – ohne dass es zu einer Einigung gekommen wäre – das neue Paketverteilzentrum in Betrieb nahm, beantragte der Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung dessen vorläufige Stilllegung.

Das LAG Schleswig-Holstein lehnte den Erlass einer einstweiligen Verfügung ab und begründete dies damit, dass der vom Betriebsrat gerügte Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht bei der Erstellung der Grundlagen für eine Gefährdungsbeurteilung nicht die Untersagung der Inbetriebnahme der neuen Paketverteilanlage rechtfertige, da der dem Betriebsrat dem Grunde nach zustehende Unterlassungsanspruch nicht auf diese Rechtsfolge gerichtet sei. Zwar habe unzweifelhaft eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats vorgelegen, da es das Unternehmen unterlassen habe, vor Durchführung der Gefährdungsbeurteilung mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung über deren Grundlagen herbeizuführen, nicht aber darin, dass es die Gefährdungsbeurteilung selbst bereits vor der Einigung mit dem Betriebsrat durchgeführt hat. Dass die Arbeitgeberin die Gefährdungsbeurteilung nicht vor der Inbetriebnahme des Paketverteilzentrums vorgenommen hat, begründe eine Ordnungswidrigkeit, zu deren Sanktionierung allein die zuständige Ordnungsbehörde berufen sei.

Mitzubestimmen habe der Betriebsrat bei der Festlegung der Regelungen, nach denen die Gefährdungsbeurteilung erfolgen soll. Der Zeitpunkt, zu dem die Gefährdungsbeurteilung erfolgt, unterliege dagegen nicht der Mitbestimmung. Zudem erfolge auch die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung als tatsächliche Handlung ohne Beteilung des Betriebsrats.

Aus der einseitig erfolgten Gefährdungsbeurteilung ergebe sich daher deren Unwirksamkeit, worin gleichzeitig das zu beseitigende betriebsverfassungswidrige Verhalten des Unternehmens liege. Die Durchsetzung des insoweit fortbestehenden Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats sei dem Einigungsstellenverfahren vorbehalten.