Fahrzeiten sind vergütungspflichtige Arbeitszeit BAG, Urteil vom 18.03.2020 (Az.: 5 AZR 36/19)

Ausgabe 43 | Dezember 2020
Der Kläger ist bei der Arbeitgeberin als Servicetechniker im Außendienst tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden Kraft dynamischer Bezugnahme im Arbeitsvertrag die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Niedersachsen Anwendung.

In einer Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2001 ist geregelt, dass Anfahrtszeiten zum ersten und Abfahrtszeiten vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit zählen, wenn sie 20 Minuten nicht über-schreiten. Lediglich 20 Minuten übersteigende Fahrzeiten zählen zur Arbeitszeit. In das für den Kläger geführte Arbeitszeitkonto hat die Beklagte Reisezeiten von dessen Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden bis zu einer Dauer von jeweils 20 Minuten nicht als Zeiten geleisteter Arbeit eingestellt und hierfür auch keine Vergütung geleistet.

Mit seiner Klage verlangte der Kläger, seinem Arbeitszeitkonto für die Monate März bis August 2017 Fahrtzeiten im Umfang von 68 Stunden und 40 Minuten gutzuschreiben, hilfsweise an ihn Euro 1.219,58 brutto nebst Zinsen zu zahlen.

Nachdem Arbeitsgericht und LAG die Klage abwiesen hatten, hatte die Revision des Klägers Erfolg. Das BAG entschied, dass der Kläger mit den Fahrten von seiner Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erfüllt hat. Ein daraus resultierender Vergütungsanspruch könne nicht durch Betriebsvereinbarung ausgeschlossen werden.

Die betreffende Bestimmung der Betriebsvereinbarung regelt die Vergütung von Arbeitszeit und betrifft damit einen tariflich geregelten Gegenstand. Nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag sind sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht erbringt, mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten. Dazu gehöre bei Außendienstmitarbeitern die gesamte für An- und Abfahrt zum Kunden aufgewendete Fahrtzeit. Da der Tarifvertrag keine Öffnungsklausel zugunsten abweichender Betriebsvereinbarungen enthalte, sei die Regelung wegen Verstoßes gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 S.1 BetrVG unwirksam. Arbeitsentgelte, die durch Tarifvertrag geregelt sind, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Tarifsperre ist auch nicht aufgrund eines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 BetrVG aufgehoben. Aufgrund der Tarifbindung der Arbeitgeberin bestehe nämlich nach § 87 Abs. 1 BetrVG schon kein Mitbe-stimmungsrecht des Betriebsrats.