Kündigung wegen Untersuchungshaft BAG, Urteil vom 23.05.2013 (Az.: 2 AZR 120/12).

Ausgabe 16 | Dezember 2013
Kündigungen kommen nicht nur wegen einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers oder aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse in Betracht. Vielmehr können diese auch auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden „Störquelle“ beruhen. Hierzu zählt eine Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht (vgl. BAG 25.11.2010 – 2 AZ R 984/08). Voraussetzung einer Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer aller Voraussicht nach für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Grundlage für die Prognose des Arbeitgebers über die Dauer der haftbedingten Arbeitsverhinderung muss nicht zwingend eine bereits erfolgte – rechtskräftige – strafgerichtliche Verurteilung sein. Die Erwartung, der Arbeitnehmer werde für längere Zeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert sein, kann auch bereits im Fall einer Untersuchungshaft berechtigt sein. Maßgeblich ist insoweit, ob die der vorläufigen Inhaftierung zugrunde liegenden Umstände bei objektiver Betrachtung eine solche Prognose rechtfertigen. Weitere Voraussetzung des Ausspruchs einer personenbedingten Kündigung wegen einer Inhaftierung des Arbeitnehmers ist, dass sich die prognostizierte Nichterfüllung der Arbeitspflicht nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirkt. Denn dadurch, dass der Arbeitgeber während der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers von der Lohnzahlungspflicht befreit ist, hängt es von der Dauer der Haft sowie Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben. Hiervon wäre dann nicht auszugehen, wenn der Arbeitgeber für die Zeit der Haft Überbrückungsmaßnahmen ergreifen und dem Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft freihalten kann. Ist dagegen im Kündigungszeitpunkt mit einer mehrjährigen haftbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers zu rechnen, ist dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zuzumuten, lediglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten.