Fremdgeschäftsführer und Praktikanten als Arbeitnehmer? EuGH, Urteil vom 09.07.2015 (Az.: C-229/14)
Ausgabe 23 | September 2015
Eine GmbH mit 19 Arbeitnehmern und einer im Rahmen einer vom Jobcenter geförderten Umschulungsmaßnahme beschäftigten Praktikantin, kündigte sämtliche Beschäftigungsverhältnisse aus dringenden betrieblichen Gründen und stellte ihren Geschäftsbetrieb ein. Ein Arbeitnehmer erhob Klage und machte geltend, die Kündigung sei wegen unterbliebener Massenentlassungsanzeige unwirksam. Der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG von 20 Arbeitnehmern sei überschritten, da auch der Geschäftsführer, der keine Anteile an der GmbH besaß, und die Praktikantin zu berücksichtigen seien.
Der EuGH urteilte, dass Geschäftsführer einer GmbH Arbeitnehmer im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG sein können. Der Begriff des Arbeitnehmers sei insoweit unabhängig von nationalem Recht einheitlich im Sinne der Unionsrechtsordnung auszulegen. Maßgeblich komme es darauf an, ob eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisungen Leistungen erbringt und hierfür als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Allein der Umstand, Mitglied des Leitungsorgans einer Kapitalgesellschaft zu sein, schließe ein Unterordnungsverhältnis gegenüber der Gesellschaft nicht aus. Zu berücksichtigen sei, dass der Geschäftsführer jederzeit gegen seinen Willen abberufen werden könne und er bei der Ausübung seiner Tätigkeit den Weisungen und der Aufsicht eines anderen Organs der Gesellschaft und weiteren Vorgaben und Beschränkungen unterlegen habe. Seine Stellung sei im konkreten Fall zudem dadurch geschwächt gewesen, dass er keine Anteile an der Gesellschaft besaß.
Im Übrigen sei der Arbeitnehmerbegriff in der Massenentlassungsrichtlinie nach dem mit ihr bezweckten verstärkten Schutz der Arbeitnehmer weit auszulegen, weshalb auch eine Person als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sei, die im Rahmen eines Praktikums ohne Vergütung durch ihren Arbeitgeber, jedoch finanziell gefördert durch die für Arbeitsförderung zuständigen öffentlichen Stellen, in einem Unternehmen praktisch mitarbeitet, um Kenntnisse zu erwerben oder zu vertiefen oder eine Berufsausbildung zu absolvieren.
Hinzuweisen ist darauf, dass diese Entscheidung des EuGH keinen unmittelbaren Einfluss auf den sich weiterhin nach deutschem Recht bestimmenden Arbeitnehmerbegriff im Übrigen hat. Sowohl der GmbH-Geschäftsführer als auch der Praktikant sind mithin nach derzeitiger nationaler Rechtsprechung keine Arbeitnehmer im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes.