Fristlose Kündigung weger länger zurückliegender sexueller Belästigung LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.11.2015 (Az.: 2 Sa 235/15)

Ausgabe 25 | März 2016
Die Arbeitgeberin, die einen Lebensmitteleinzelhandel betreibt, kündigte einem Arbeitnehmer im Januar 2015 fristlos, weil dieser ein Stück Fleisch im Wert von 80 Cent verzehrt hatte, ohne es zu bezahlen. Nach Ausspruch der Kündigung erfuhr die Arbeitgeberin von einem Vorfall aus dem Frühjahr 2014. Eine Mitarbeiterin berichtete ihr von einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz durch den Kläger. Die Mitarbeiterin hatte diesen Vorfall zunächst nur der Marktleiterin mitgeteilt, diese aber um Stillschweigen gebeten. Das Arbeitsgericht gab der vom Arbeitnehmer erhobenen Kündigungsschutzklage statt, das LAG wies sie ab, denn es hielt die fristlose Kündigung für wirksam. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe ein Vermögensdelikt zulasten der Arbeitgeberin vorgelegen, welches trotz des langjährigen Beschäftigungsverhältnisses zumindest eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt hätte. Für die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung sah das LAG dagegen den Vorwurf der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz als entscheidend an. Dieser habe zwar im Kündigungszeitpunkt bereits einige Zeit zurückgelegen. Da die Arbeitgeberin aber erst nach Kündigungsausspruch davon erfahren habe, habe sie nicht schneller reagieren können. Die Beklagte habe sich auch nicht das Wissen der Marktleiterin zurechnen lassen müssen, da diese nicht die Erlaubnis des Opfers hatte, den Vorfall der Geschäftsleitung zu melden.