Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen – Unterlassung eines bEM BAG, Urteil vom 20.11.2014 (Az: 2 AZR 755/13)
Ausgabe 22 | Juni 2015
Der Kläger war seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt in erheblichem Umfang arbeitsunfähig gewesen. Seit dem Jahr 2004 erfolgten mehrere betriebsärztliche Untersuchungen. Im November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich. In der hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage berief sich der Kläger insbesondere darauf, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt worden sei.
Das BAG urteilte, dass die Kündigung wegen Unterlassen eines bEM unverhältnismäßig und damit unwirksam war.
Nach § 84 SGB IX ist bei häufigen Kurzerkrankungen ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Dieses sei zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung, die auf häufige Kurzerkrankungen gestützt wird. Allerdings konkretisiere die Norm den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da mit Hilfe des bEM möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt werden können.
Es sei Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des gesetzlich gebotenen Eingliederungsmanagements zu ergreifen, wozu gehöre, dass der Arbeitnehmer auf die Ziele des bEM sowie die Art und den Umfang der hierfür erhobenen Daten hingewiesen wird. Eine betriebsärztliche Begutachtung allein stehe der Durchführung eines bEM nicht gleich.
Wurde ein bEM-Verfahren nicht durchgeführt, so treffe den Arbeitgeber eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber habe detailliert dazulegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden. Zur Darlegung der Verhältnismäßigkeit einer auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützten Kündigung sei nicht nur die objektive Nutzlosigkeit des bEM aufzuzeigen, sondern darüber hinaus dazulegen, dass auch durch die gesetzlich vorgesehenen Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können.
Diesen vom BAG aufgestellten hohen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast wird ein Arbeitgeber nur in den seltensten Fällen gerecht werden können. Daher sollte vor jeder krankheitsbedingten Kündigung ein bEM zumindest versucht werden.