Verdachtskündigung aufgrund heimlicher Videoüberwachung und Zufallsfunden BAG, Urteil vom 21.11.2013 (Az.: 2 AZR 797/11)

Ausgabe 17 | März 2014
In diesem vom BAG entschiedenen Fall hatten sich in einem Getränkemarkt erhebliche Differenzen zwischen dem Leergutbestand und dem ausgezahlten Pfandgeld ergeben. Die Arbeitgeberin vermutete deshalb die Manipulation von Pfandbons im Kassenbereich und ordnete in Absprache mit dem Betriebsrat eine verdeckte Videoüberwachung an. Bei der Auswertung der Aufzeichnungen stellte sich zufällig heraus, dass eine langjährige Arbeitnehmerin aus einer sogenannten „Klüngelgeld-Kasse“, einem Behälter, in dem von Kunden nicht angenommenes Wechselgeld verwahrt wird, Münzen entnommen hatte. Die Arbeitgeberin kündigte der Arbeitnehmerin wegen des Verdachts, sie habe Geld gestohlen. Die Mitarbeiterin bestritt nicht, Münzen aus der „Klüngelgeld-Kasse“ genommen zu haben, erklärte dies aber damit, dass sie die Münzen nur für das Auslösen eines Einkaufswagens entnommen habe, den sie für ihre Arbeit im Markt gebraucht habe. Das BAG entschied, dass die Ergebnisse der heimlichen Videoüberwachung unberücksichtigt bleiben müssen. Für die Verwertung einer Videoaufnahme müsse grundsätzlich das Beweisinteresse des Arbeit-gebers höher sein als das Interesse des Arbeitnehmers an der Achtung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Videoüberwachung müsse das letzte Mittel sein, also zuvor alle weniger einschneidenden Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhaltes ausgeschöpft worden sein. Im vorliegenden Verfahren hatte die Arbeitgeberin nicht dazu vorgetragen, weshalb die Videoüberwachung unabdingbar gewesen sein soll – sie unterlag daher im Kündigungsschutzverfahren. Hinsichtlich der Verwertbarkeit von Zufallsfunden stellte das BAG fest, dass diese nicht in jedem Fall unverwertbar seien. Allerdings müsse auch diesbezüglich das Beweisinteresse des Arbeitgebers höher zu gewichten sein als das Interesse des Arbeitnehmers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts. Dies sei nur anzunehmen, wenn das mittels Videodokumentation zu beweisende Verhalten eine zumindest schwerwiegende Pflichtverletzung zum Gegenstand habe und die verdeckte Videoüberwachung nicht unverhältnismäßig ist. Erreicht das in Rede stehende Verhalten diesen Erheblichkeitsgrad nicht, müsse die Verwertung des Videomaterials unterbleiben. So liege es hier. Die heimliche Videoüberwachung zum Nachweis der Absicht, sich einige Münzen im Wert von Centbeträgen zuzueignen, sei schlechthin unverhältnismäßig.