Videoüberwachung kann schon bei Anfangsverdacht zulässig sein BAG, Urteil vom 20.10.2016 (Az.: 2 AZR 395/15)

Ausgabe 29 | März 2017
Die Beklagte betreibt mehrere Autohäuser und Werkstätten. In einem ihrer Betriebe, zu dem ein Ersatzteillager gehört, war der Kläger als Kfz-Mechaniker beschäftigt. Nachdem Inventuren Fehlbestände im Lager ergaben, machte die Beklagte dies öffentlich und untersagte allen Mitarbeitern mit Ausnahme der Lageristen den Zutritt zum Lager. Da die Fehlbestände nicht aufgeklärt werden konnten, installierte die Beklagte mit Zustimmung der Lageristen eine Videokamera, ohne die übrigen Mitarbeiter darüber zu informieren. Kurz darauf zeigte eine Aufzeichnung den Kläger, der das Lager betrat, ein Paket Bremsklötze entnahm und in seiner Hosentasche verstaute. Dies nahm die Beklagte zum Anlass, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich und vorsorglich ordentlich zu kündigen. Nachdem die gegen die Kündigung erhobene Klage vor dem Arbeitsgericht und dem LAG Erfolg hatte, verwies das BAG die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück an das LAG. Das BAG entschied, die stattgefundene Videoaufzeichnung sei gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG als zu-lässig anzusehen. Die Fehlbestände im Ersatzteillager deuteten nach der Lebenserfahrung auf Straftaten der dort tätigen Mitarbeiter hin. Ein solcher „einfacher“ Verdacht im Sinne eines Anfangsverdachts sei zur Erfüllung der Voraussetzungen der Norm ausreichend. Zudem habe die Videoüberwachung räumlich allein das Lager und neben den einverstandenen Lageristen nur solche Personen betroffen, die sich unerlaubt im Lager aufhalten. Durch das unerlaubte Betreten habe sich der konkrete Verdacht ergeben, etwas aus dem Lager entwenden zu wollen. Die Videoaufzeichnung sei auch nicht unverhältnismäßig, da mildere Mittel wie Gespräche mit Mitarbeitern oder eine offene Videoüberwachung nicht im gleichen Maße erfolgsversprechend gewesen seien. Eine Taschen- oder Kleidungskontrolle hätte die Videoaufzeichnung in der Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht noch übertroffen. Daher habe die Beklagte die durch die Aufzeichnung erlangten Daten auch für die Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses und damit auch für die Entscheidung über eine Kündigung verwerten dürfen. Ein Beweisverwertungsverbot für die Daten käme nach Ansicht des BAG nur dann in Betracht, wenn der Kläger durch die Videoaufzeichnung in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden wäre, was das BAG mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen nicht abschließend beurteilen konnte.